13. Februar 2023
Dideldumdei, das Smartphone meldet einen Anruf, Sonntag 21:30 Uhr. Ich gehe ran.
„Ich habe einen Notfall, haben Sie Notdienst?“, sagt eine männliche Stimme unvermittelt.
„Guten Abend, mit wem spreche ich denn bitte?“
„Ich bin Erik Mustermann und wir brauchen dringend einen Tierarzt, unser Pferd hat sich die Hüfte ausgerenkt!“
„Guten Abend Herr Mustermann, wo steht denn Ihr Pferd und würden Sie mir bitte einmal die Symptome beschreiben?“
„Wir stehen im Stall Am Reiterberg und heute ist ein neues Pferd auf das Paddock gekommen und wir glauben und sind uns sicher, dass der unseren Hippo geschlagen hat.“
„Sind denn irgendwelche Verletzungen zu sehen oder hat jemand beobachtet, wie es passiert ist?“
„Nein, niemand hat etwas gesehen und Verletzungen haben wir nicht finden können, aber es kann nur so gewesen sein!“
„Was für Symptome zeigt denn Ihr Wallach?“
„Er mag das rechte Hinterbein nicht aufsetzen und steht dadurch ganz schief. Kann man die Hüfte denn vor Ort einrenken oder muss er dafür in Narkose gelegt werden?“
„Herr Mustermann, Sie sind schon bei der Therapie einer Diagnose, die ich noch nicht einmal erheben konnte. Wir sollten uns das erstmal ansehen und dann gemeinsam entscheiden. Ist denn an dem Verhalten Ihres Pferdes sonst noch etwas ungewöhnlich?“
„Nein, er frisst normal und ist aufmerksam, aber die Hüfte ist wohl ausgerenkt.“
„Gut, dann schauen wir uns das mal an. Ich bin in ungefähr 20 Minuten bei Ihnen.“
„Schaffen Sie es auch etwas schneller? Es sieht wirklich schlimm aus. Und wie lange dauert das ungefähr? Wir wollen gleich noch auf eine Feier.“
So ähnlich laufen manche Gespräche im sogenannten Notdienst ab. Im beschriebenen Fall entpuppte sich die Lahmheit als umschriebene eitrige Pododermatitis, im Volksmund auch Hufgeschwür genannt und hatte mit der Hüfte nichts zu tun. Das zunächst als Urheber der Lahmheit verdächtigte Pferd hatte daran keinerlei Anteil, aber ab diesem Abend trotzdem den Ruf als Schläger mit nachfolgend „ausgerenkter Hüfte“ ungerechterweise erworben.
Überdies gibt es die weitverbreitete Meinung, dass es einen staatlich organisierten Notdienst gibt, der von Tierärzten und Tierärztinnen versehen wird, die gut ausgeschlafen in eine 8 Stunden Bereitschaftsschicht gehen. Dass es oft die Praxisinhaber und Praxisinhaberinnen selbst sind, die diesen so wichtigen Service für die Patienten leisten, ist häufig nicht bekannt. In vielen Fällen liegt bereits ein Arbeitstag von 12 und mehr Stunden hinter der Kollegin/dem Kollegen. Auch wir Anbieter freuen uns als Menschen daher über eine freundliche Begrüßung am Anfang einer Konversation und eine sachliche Schilderung des Anliegens. Dann bereitet der mit einem Seufzer angetretene Gang zum Fahrzeug auch gleich wieder etwas mehr Freude.